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Наталья Агеева - Цвейг. Шахматная новелла

Читать бесплатно Наталья Агеева - Цвейг. Шахматная новелла. Жанр: Языкознание издательство неизвестно, год 2004. Так же читаем полные версии (весь текст) онлайн без регистрации и SMS на сайте kniga-online.club или прочесть краткое содержание, предисловие (аннотацию), описание и ознакомиться с отзывами (комментариями) о произведении.
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114.Schließlich stand ich schon ganz nahe bei dem Mantel, und mit Absicht hatte ich die Hände hinter mich auf den Rücken gelegt, damit sie unauffällig den Mantel berühren könnten. Ich tastete den Stoff an und fühlte tatsächlich durch den Stoff etwas Rechteckiges, etwas, das biegsam war und leise knisterte – ein Buch! Ein Buch! Und wie ein Schuss durchzuckte mich der Gedanke: stiehl dir das Buch! Vielleicht gelingt es, und du kannst dir's in der Zelle verstecken und dann lesen, lesen, lesen, endlich wieder einmal lesen! Der Gedanke, kaum in mich gedrungen, wirkte wie ein starkes Gift; mit einemmal begannen mir die Ohren zu brausen und das Herz zu hämmern, meine Hände wurden eiskalt und gehorchten nicht mehr. Aber nach der ersten Betäubung drängte ich mich leise und listig noch näher an den Mantel, ich drückte, immer dabei den Wächter fixierend, mit den hinter dem Rücken versteckten Händen das Buch von unten aus der Tasche höher und höher.

115.Und dann: ein Griff, ein leichter, vorsichtiger Zug, und plötzlich hatte ich das kleine, nicht sehr umfangreiche Buch in der Hand (и потом: рывок, я легко и осторожно потянул, и вдруг у меня в руке очутилась маленькая, не очень объемистая книжка; der Griff; greifen – хватать, схватить; der Zug – тянущее движение; ziehen – тянуть, тащить, вынимать). Jetzt erst erschrak ich vor meiner Tat (только тут я испугался своего поступка). Aber ich konnte nicht mehr zurück (но отступать было нельзя). Jedoch wohin damit (но что с ней делать)? Ich schob den Band hinter meinem Rücken unter die Hose an die Stelle, wo sie der Gürtel hielt (за своей спиной я засунул томик под брюки в том месте, где их придерживал ремень), und von dort allmählich hinüber an die Hüfte, damit ich es beim Gehen mit der Hand militärisch an der Hosennaht festhalten könnte (и затем постепенно передвинул /книгу/ на бедро, чтобы при ходьбе можно было удержать книгу, прижав по-военному руки по швам; das Militär – армия, вооруженные силы; die Hosennaht). Nun galt es die erste Probe (теперь следовало попробовать; gelten – иметь место, иметь силу, быть действительным; die Probe – проверка, испытание). Ich trat von der Garderobe weg, einen Schritt, zwei Schritte, drei Schritte (я отошел от гардероба на один шаг, два шага, три шага). Es ging (действовало). Es war möglich, das Buch im Gehen festzuhalten, wenn ich nur die Hand fest an den Gürtel presste (это оказалось возможным, удерживать книгу при ходьбе, если только рукой крепко прижимать пояс).

115.Und dann: ein Griff, ein leichter, vorsichtiger Zug, und plötzlich hatte ich das kleine, nicht sehr umfangreiche Buch in der Hand. Jetzt erst erschrak ich vor meiner Tat. Aber ich konnte nicht mehr zurück. Jedoch wohin damit? Ich schob den Band hinter meinem Rücken unter die Hose an die Stelle, wo sie der Gürtel hielt, und von dort allmählich hinüber an die Hüfte, damit ich es beim Gehen mit der Hand militärisch an der Hosennaht festhalten könnte. Nun galt es die erste Probe. Ich trat von der Garderobe weg, einen Schritt, zwei Schritte, drei Schritte. Es ging. Es war möglich, das Buch im Gehen festzuhalten, wenn ich nur die Hand fest an den Gürtel presste.

116.Dann kam die Vernehmung (потом начался допрос). Sie erforderte meinerseits mehr Anstrengung als je, denn eigentlich konzentrierte ich meine ganze Kraft, während ich antwortete, nicht auf meine Aussage, sondern vor allem darauf, das Buch unauffällig festzuhalten (он потребовал от меня большего напряжения чем когда-либо, потому что, отвечая на вопросы, все свои усилия я сосредотачивал не на высказываниях, а на том, чтобы незаметно придерживать книгу; die Anstrengung). Glücklicherweise fiel das Verhör diesmal kurz aus, und ich brachte das Buch heil in mein Zimmer (к счастью, допрос на этот раз продолжался недолго, и я благополучно доставил книгу в свою комнату; ausfallen – получаться, выходить, выдаваться) – ich will Sie nicht aufhalten mit all den Einzelheiten, denn einmal rutschte es von der Hose gefährlich ab mitten im Gang, und ich musste einen schweren Hustenanfall simulieren, um mich niederzubücken und es wieder heil unter den Gürtel zurückzuschieben (я не хочу утомлять Вас подробностями, поскольку один раз она /книга/ проскользнула в брюки /из-под пояса/ прямо посреди коридора, что было очень опасно, и мне пришлось симулировать тяжелый приступ кашля, чтобы согнуться и снова благополучно затолкать ее под пояс; aufhalten – задерживать, сдерживать; der Husten – кашель). Aber welch eine Sekunde dafür, als ich damit in meine Hölle zurücktrat, endlich allein und doch nie mehr allein (но зато как прекрасен был момент: «но зато какова секунда», когда я вернулся с ней в свою преисподнюю, наконец-то /оставшись/ один и в тоже время я теперь не был больше одинок; die Hölle)!

116.Dann kam die Vernehmung. Sie erforderte meinerseits mehr Anstrengung als je, denn eigentlich konzentrierte ich meine ganze Kraft, während ich antwortete, nicht auf meine Aussage, sondern vor allem darauf, das Buch unauffällig festzuhalten. Glücklicherweise fiel das Verhör diesmal kurz aus, und ich brachte das Buch heil in mein Zimmer – ich will Sie nicht aufhalten mit all den Einzelheiten, denn einmal rutschte es von der Hose gefährlich ab mitten im Gang, und ich musste einen schweren Hustenanfall simulieren, um mich niederzubücken und es wieder heil unter den Gürtel zurückzuschieben. Aber welch eine Sekunde dafür, als ich damit in meine Hölle zurücktrat, endlich allein und doch nie mehr allein!

117.Nun vermuten Sie wahrscheinlich, ich hätte sofort das Buch gepackt, betrachtet, gelesen (Вы, наверное, думаете, что первым делом я схватился за книгу, просмотрел ее, стал читать). Keineswegs (ничего подобного)! Erst wollte ich die Vorlust auskosten, dass ich ein Buch bei mir hatte (сперва я хотел вкусить преддверие наслаждения от того, что я обладал теперь книгой), die künstlich verzögernde und meine Nerven wunderbar erregende Lust, mir auszuträumen, welche Art Buch dies gestohlene am liebsten sein sollte (искусственно замедленное и прекрасно щекочущее мои нервы удовольствие размышлять над тем, предпочтительно к какому жанру должна была бы относиться книга, украденная мною; verzögern – замедлять, приостанавливать; erregen – возбуждать, волновать): sehr eng gedruckt vor allem, viele, viele Lettern enthaltend, viele, viele dünne Blätter, damit ich länger daran zu lesen hätte (прежде всего с убористым мелким шрифтом: «очень мелко, плотно напечатанная», чтобы в ней было много-премного букв и много-премного тоненьких страниц, чтобы я мог читать ее как можно дольше; die Letter; enthalten – содержать). Und dann wünschte ich mir, es sollte ein Werk sein, das mich geistig anstrengte (и потом мне хотелось, чтобы это было произведение, которое бы потребовало от меня умственного напряжения: «напрягло бы меня интеллектуально»; geistig – умственный, интеллектуальный; anstrengen – напрягать, утомлять), nichts Flaches, nichts Leichtes, sondern etwas, das man lernen, auswendig lernen konnte, Gedichte, und am besten – welcher verwegene Traum! – Goethe oder Homer (ничего пошлого, ничего легкого, а что-нибудь, что можно было бы выучить, выучить наизусть, стихи, или, лучше всего – какая дерзкая мечта! – Гёте или Гомер). Aber schließlich konnte ich meine Gier, meine Neugier nicht länger verhalten (наконец я больше не мог сдерживать своего жадного любопытства: «своей жадности /жажды/, своего любопытства»). Hingestreckt auf das Bett, so dass der Wärter, wenn er plötzlich die Tür aufmachen sollte, mich nicht ertappen könnte, zog ich zitternd unter dem Gürtel den Band heraus (растянувшись на кровати, чтобы надзиратель, если он вдруг неожиданно откроет дверь, не мог бы меня застать /за чтением/, я вытащил дрожащими руками из-за пояса книгу; sich hinstrecken – лечь, растянуться; ertappen – поймать, застигнуть, застать; zittern – дрожать, трястись).

117.Nun vermuten Sie wahrscheinlich, ich hätte sofort das Buch gepackt, betrachtet, gelesen. Keineswegs! Erst wollte ich die Vorlust auskosten, dass ich ein Buch bei mir hatte, die künstlich verzögernde und meine Nerven wunderbar erregende Lust, mir auszuträumen, welche Art Buch dies gestohlene am liebsten sein sollte: sehr eng gedruckt vor allem, viele, viele Lettern enthaltend, viele, viele dünne Blätter, damit ich länger daran zu lesen hätte. Und dann wünschte ich mir, es sollte ein Werk sein, das mich geistig anstrengte, nichts Flaches, nichts Leichtes, sondern etwas, das man lernen, auswendig lernen konnte, Gedichte, und am besten – welcher verwegene Traum! – Goethe oder Homer. Aber schließlich konnte ich meine Gier, meine Neugier nicht länger verhalten. Hingestreckt auf das Bett, so dass der Wärter, wenn er plötzlich die Tür aufmachen sollte, mich nicht ertappen könnte, zog ich zitternd unter dem Gürtel den Band heraus.

118.Der erste Blick war eine Enttäuschung und sogar eine Art erbitterter Ärger (первый взгляд на нее не просто разочаровал меня, я даже ужасно рассердился: «был разочарованием и даже в каком-то роде озлобленным раздражением»; erbittern – ожесточать, озлоблять): Dieses mit so ungeheurer Gefahr erbeutete, mit so glühender Erwartung aufgesparte Buch war nichts anderes als ein Schachrepetitorium, eine Sammlung von hundertfünfzig Meisterpartien (эта книга, добывая которую я подвергался такой чудовищной опасности, и которая породила такие пылкие надежды: «которую я приберегал /для чтения/ с таким пылким ожиданием», оказалась всего лишь пособием по игре в шахматы, сборником ста пятидесяти шахматных матчей, сыгранных крупнейшими мастерами; die Beute – добыча, трофей; glühen – накаляться, гореть, пылать; das Schachrepetitorium; sparen – сберегать, экономить). Wäre ich nicht verriegelt, verschlossen gewesen, ich hatte im ersten Zorn das Buch durch ein offenes Fenster geschleudert (если бы я не был заперт на все засовы, не находился в закрытом пространстве, я бы выбросил эту книгу в припадке дикой ярости в открытое окно; verriegeln – запирать /назасов/, замыкать; der Riegel – задвижка, засов; verschließen – запирать /назамок/, блокировать; der Zorn), denn was sollte, was konnte ich mit diesem Nonsens beginnen (поскольку, ну как я должен был, как я мог использовать эту ерунду; der Nonsens)? ich hatte als Knabe im Gymnasium wie die meisten anderen mich ab und zu aus Langeweile vor einem Schachbrett versucht (еще будучи мальчишкой, в гимназии, как и многие другие я изредка играл в шахматы просто от скуки; die Langeweile; versuchen – пробовать, пытаться). Aber was sollte mir dieses theoretische Zeug (но для чего нужна была мне эта теоретическая ерунда; das Zeug)? Schach kann man doch nicht spielen ohne einen Partner und schon gar nicht ohne Steine, ohne Brett (но в шахматы нельзя играть без партнера, а тем более без фигур и без доски; der Stein – /шахм./ фигура). Verdrossen blätterte ich die Seiten durch, um vielleicht dennoch etwas Lesbares zu entdecken, eine Einleitung, eine Anleitung (раздосадованный я перелистывал страницы, в надежде найти хоть что-нибудь для чтения, какое-нибудь введение или пояснение; verdrießen – сердить, раздражать, огорчать; lesbar – разборчивый, четкий); aber ich fand nichts als die nackten quadratischen Diagramme der einzelnen Meisterpartien und darunter mir zunächst unverständliche Zeichen, a2 – a3, Sf1 – g3 und so weiter (но я не нашел ничего, кроме ровных квадратных таблиц, воспроизводящих партии мастеров, с их непонятными для меня значками, «a2 – a3», «Sf1 – g3» и так далее; nackt – голый, нагой; das Diagrámm – диаграмма, схема; das Zeichen).

118.Der erste Blick war eine Enttäuschung und sogar eine Art erbitterter Ärger: Dieses mit so ungeheurer Gefahr erbeutete, mit so glühender Erwartung aufgesparte Buch war nichts anderes als ein Schachrepetitorium, eine Sammlung von hundertfünfzig Meisterpartien. Wäre ich nicht verriegelt, verschlossen gewesen, ich hatte im ersten Zorn das Buch durch ein offenes Fenster geschleudert, denn was sollte, was konnte ich mit diesem Nonsens beginnen? ich hatte als Knabe im Gymnasium wie die meisten anderen mich ab und zu aus Langeweile vor einem Schachbrett versucht. Aber was sollte mir dieses theoretische Zeug? Schach kann man doch nicht spielen ohne einen Partner und schon gar nicht ohne Steine, ohne Brett. Verdrossen blätterte ich die Seiten durch, um vielleicht dennoch etwas Lesbares zu entdecken, eine Einleitung, eine Anleitung; aber ich fand nichts als die nackten quadratischen Diagramme der einzelnen Meisterpartien und darunter mir zunächst unverständliche Zeichen, a2 – a3, Sf1 – g3 und so weiter.

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