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Наталья Агеева - Цвейг. Шахматная новелла

Читать бесплатно Наталья Агеева - Цвейг. Шахматная новелла. Жанр: Языкознание издательство неизвестно, год 2004. Так же читаем полные версии (весь текст) онлайн без регистрации и SMS на сайте kniga-online.club или прочесть краткое содержание, предисловие (аннотацию), описание и ознакомиться с отзывами (комментариями) о произведении.
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95.Auf den ersten Blick sah das mir zugewiesene Zimmer durchaus nicht unbehaglich aus. Es hatte eine Tür, ein Bett, einen Sessel, eine Waschschüssel, ein vergittertes Fenster. Aber die Tür blieb Tag und Nacht verschlossen, auf dem Tisch durfte kein Buch, keine Zeitung, kein Blatt Papier, kein Bleistift liegen, das Fenster starrte eine Feuermauer an; rings um mein Ich und selbst an meinem eigenen Körper war das vollkommene Nichts konstruiert. Man hatte mir jeden Gegenstand abgenommen, die Uhr, damit ich nicht wisse um die Zeit, den Bleistift, dass ich nicht etwa schreiben könne, das Messer, damit ich mir nicht die Adern öffnen könne; selbst die kleinste Betäubung wie eine Zigarette wurde mir versagt.

96.Nie sah ich außer dem Wärter, der kein Wort sprechen und auf keine Frage antworten durfte, ein menschliches Gesicht, nie hörte ich eine menschliche Stimme (я не видел ни одного человеческого лица, кроме надзирателя, которому было запрещено произносить хотя бы слово и отвечать на мои вопросы, не слышал ни разу человеческого голоса); Auge, Ohr, alle Sinne bekamen von morgens bis nachts und von nachts bis morgens nicht die geringste Nahrung, man blieb mit sich, mit seinem Körper und den vier oder fünf stummen Gegenständen Tisch, Bett, Fenster, Waschschüssel rettungslos allein (глаза, уши, все мои органы чувств не получали с утра до ночи и с ночи до утра никакой пищи, я безнадежно оставался наедине с самим собой, со своим телом и с четырьмя или пятью неодушевленными предметами – стол, кровать, окно, умывальник; das Ohr; stumm – немой, безмолвный; die Rettung – спасение, избавление); man lebte wie ein Taucher unter der Glasglocke im schwarzen Ozean dieses Schweigens und wie ein Taucher sogar, der schon ahnt, dass das Seil nach der Außenwelt abgerissen ist und er nie zurückgeholt werden wird aus der lautlosen Tiefe (я был как водолаз под стеклянным колпаком в черном океане этого безмолвия, и даже как водолаз, который уже смутно осознает, что канат, связывающий его с внешним миром, оборвался и его никогда не извлекут из этой безмолвной глубины; der Taucher; die Glasglocke; der Ózean; das Schweigen – безмолвие, тишина; abreißen; der Laut – звук, тон). Es gab nichts zu tun, nichts zu hören, nichts zu sehen, überall und ununterbrochen war um einen das Nichts, die völlige raumlose und zeitlose Leere (нечем было заняться, нечего было послушать, нечего было увидеть, повсюду на протяжении всего времени человека окружал вакуум, пустота без времени и пространства; ununterbrochen – беспрерывно, беспрестанно).

96.Nie sah ich außer dem Wärter, der kein Wort sprechen und auf keine Frage antworten durfte, ein menschliches Gesicht, nie hörte ich eine menschliche Stimme; Auge, Ohr, alle Sinne bekamen von morgens bis nachts und von nachts bis morgens nicht die geringste Nahrung, man blieb mit sich, mit seinem Körper und den vier oder fünf stummen Gegenständen Tisch, Bett, Fenster, Waschschüssel rettungslos allein; man lebte wie ein Taucher unter der Glasglocke im schwarzen Ozean dieses Schweigens und wie ein Taucher sogar, der schon ahnt, dass das Seil nach der Außenwelt abgerissen ist und er nie zurückgeholt werden wird aus der lautlosen Tiefe. Es gab nichts zu tun, nichts zu hören, nichts zu sehen, überall und ununterbrochen war um einen das Nichts, die völlige raumlose und zeitlose Leere.

97.Man ging auf und ab, und mit einem gingen die Gedanken auf und ab, auf und ab, immer wieder (можно было ходить туда и обратно, и с тобою передвигались твои мысли туда и обратно, туда и обратно, снова и снова). Aber selbst Gedanken, so substanzlos sie scheinen, brauchen einen Stützpunkt, sonst beginnen sie zu rotieren und sinnlos um sich selbst zu kreisen; auch sie ertragen nicht das Nichts (но даже мыслям, какими бы они не казались нематериальными /понятиями/, необходима точка опоры, иначе они начинают вращаться и бессмысленно кружиться вокруг самих себя, они тоже не выносят пустоты; die Substánz – субстанция, вещество, материя; der Stützpunkt; stützen – поддерживать, подкреплять, укреплять). Man wartete auf etwas, von morgens bis abends, und es geschah nichts (ты все ждал чего-то с утра до вечера, и ничего не происходило). Man wartete wieder und wieder (ты ждал этого снова и снова). Es geschah nichts (ничего не происходило). Man wartete, wartete, wartete, man dachte, dachte, man dachte, bis einem die Schläfen schmerzten (ты ждал, ждал, ждал, ты думал, думал, думал, пока не начинали болеть виски). Nichts geschah (ничего не происходило). Man blieb allein (ты оставался один). Allein (один). Allein (один).

97.Man ging auf und ab, und mit einem gingen die Gedanken auf und ab, auf und ab, immer wieder. Aber selbst Gedanken, so substanzlos sie scheinen, brauchen einen Stützpunkt, sonst beginnen sie zu rotieren und sinnlos um sich selbst zu kreisen; auch sie ertragen nicht das Nichts. Man wartete auf etwas, von morgens bis abends, und es geschah nichts. Man wartete wieder und wieder. Es geschah nichts. Man wartete, wartete, wartete, man dachte, dachte, man dachte, bis einem die Schläfen schmerzten. Nichts geschah. Man blieb allein. Allein. Allein.

98.Das dauerte vierzehn Tage, die ich außerhalb der Zeit, außerhalb der Welt lebte (это длилось четырнадцать дней, на протяжении которых я жил вне времени, вне жизни). Wäre damals ein Krieg ausgebrochen, ich hätte es nicht erfahren; meine Welt bestand doch nur aus Tisch, Tür, Bett, Waschschüssel, Sessel, Fenster und Wand (если бы началась война, я бы об этом не узнал, мой мир состоял из стола, двери, кровати, умывальника, кресла, окна и стены; ausbrechen – разражаться, вспыхивать /о войне/), und immer starrte ich auf dieselbe Tapete an derselben Wand; jede Linie ihres gezackten Musters hat sich wie mit ehernem Stichel eingegraben bis in die innerste Falte meines Gehirns, so oft habe ich sie angestarrt (я постоянно смотрел на одни и те же обои на одной и той же стене, каждая линия их зигзагообразного рисунка врезалась железным резцом до глубины костей моего мозга: «до внутренней складки моего мозга»; die Tapéte; zacken – вырезать зубцы на чём-либо, снабжать зубцами; das Muster; der Stichel; eingraben – вырезать, высекать, гравировать). Dann endlich begannen die Verhöre (потом, наконец-то, начались допросы; das Verhör; verhören – допрашивать). Man wurde plötzlich abgerufen, ohne recht zu wissen, ob es Tag war oder Nacht (вызывали внезапно, ты не знал, день это или ночь). Man wurde gerufen und durch ein paar Gänge geführt, man wusste nicht wohin (тебя вызывали и вели через несколько коридоров, ты не знал куда; der Gang); dann wartete man irgendwo und wusste nicht wo und stand plötzlich vor einem Tisch, um den ein paar uniformierte Leute saßen (потом приходилось где-то ждать, и ты не знал где, и вдруг ты оказывался перед столом, за которым сидели двое людей в форме; die Unifórm – форма, обмундирование).

98.Das dauerte vierzehn Tage, die ich außerhalb der Zeit, außerhalb der Welt lebte. Wäre damals ein Krieg ausgebrochen, ich hätte es nicht erfahren; meine Welt bestand doch nur aus Tisch, Tür, Bett, Waschschüssel, Sessel, Fenster und Wand, und immer starrte ich auf dieselbe Tapete an derselben Wand; jede Linie ihres gezackten Musters hat sich wie mit ehernem Stichel eingegraben bis in die innerste Falte meines Gehirns, so oft habe ich sie angestarrt. Dann endlich begannen die Verhöre. Man wurde plötzlich abgerufen, ohne recht zu wissen, ob es Tag war oder Nacht. Man wurde gerufen und durch ein paar Gänge geführt, man wusste nicht wohin; dann wartete man irgendwo und wusste nicht wo und stand plötzlich vor einem Tisch, um den ein paar uniformierte Leute saßen.

99.Auf dem Tisch lag ein Stoß Papier: die Akten, von denen man nicht wusste, was sie enthielten (на столе лежала стопа бумаг: документы, о содержании которых ты ничего не знали; der Stoß; enthalten – содержать), und dann begannen die Fragen, die echten und die falschen, die klaren und die tückischen, die Deckfragen und Fangfragen (потом начинались вопросы, подлинные и ложные, прямые и наводящие, вопросы-ширмы и вопросы-ловушки; tückisch – коварный; decken – прикрывать, покрывать; fangen – ловить), und während man antwortete, blätterten fremde, böse Finger in den Papieren, von denen man nicht wusste, was sie enthielten, und fremde, böse Finger schrieben etwas in ein Protokoll, und man wusste nicht, was sie schrieben (и пока ты отвечал, чужие недобрые пальцы перелистывали бумаги, о содержании которых ты ничего не знал, и чужие недобрые пальцы записывали что-то в протокол, и ты не знал, что они пишут; das Protokóll). Aber das Fürchterlichste bei diesen Verhören für mich war, dass ich nie erraten und errechnen konnte, was die Gestapoleute von den Vorgängen in meiner Kanzlei tatsächlich wussten und was sie erst aus mir herausholen wollten (но самым ужасным для меня в этих допросах было то, что я не мог догадаться или вычислить, что именно уже было известно гестапо об операциях, производившихся в моей конторе, и что они еще только хотят у меня выпытать; fürchterlich – страшный, ужасный; der Vorgang).

99.Auf dem Tisch lag ein Stoß Papier: die Akten, von denen man nicht wusste, was sie enthielten, und dann begannen die Fragen, die echten und die falschen, die klaren und die tückischen, die Deckfragen und Fangfragen, und während man antwortete, blätterten fremde, böse Finger in den Papieren, von denen man nicht wusste, was sie enthielten, und fremde, böse Finger schrieben etwas in ein Protokoll, und man wusste nicht, was sie schrieben. Aber das Fürchterlichste bei diesen Verhören für mich war, dass ich nie erraten und errechnen konnte, was die Gestapoleute von den Vorgängen in meiner Kanzlei tatsächlich wussten und was sie erst aus mir herausholen wollten.

100.Wie ich Ihnen bereits sagte, hatte ich die eigentlich belastenden Papiere meinem Onkel in letzter Stunde durch die Haushälterin geschickt (как я Вам уже говорил, самые важные документы я в последнюю минуту отправил со своей экономкой дяде; belasten – обременять, обвинять, уличать). Aber hatte er sie erhalten (но получил ли он их)? Hatte er sie nicht erhalten (или не получил)? Und wie viel hatte jener Kanzlist verraten (и как много выведал тот канцелярист)? Wie viel hatten sie an Briefen aufgefangen, wie viel inzwischen in den deutschen Klöstern, die wir vertraten, einem ungeschickten Geistlichen vielleicht schon abgepresst (как много писем они перехватили, как много они выведали между делом у какого-нибудь неловкого священника в одном из монастырей, делами которых мы занимались; vertreten; der Geistliche)? Und sie fragten und fragten (а они спрашивали и спрашивали). Welche Papiere ich für jenes Kloster gekauft, mit welchen Banken ich korrespondiert, ob ich einen Herrn Soundso kenne oder nicht, ob ich Briefe aus der Schweiz erhalten und aus Steenookerzeel (какие ценные бумаги я покупал для такого-то монастыря, с какими банками имел деловые сношения, знаю я такого-то господина или нет, получал ли я письма из Швейцарии и еще какого-то места)? Und da ich nie errechnen konnte, wie viel sie schon ausgekundschaftet hatten, wurde jede Antwort zur ungeheuersten Verantwortung (и так как я не мог вычислить, до чего они уже докопались, каждый мой ответ был чрезвычайно ответственным /делом/; ungeheuer – чрезвычайный, необычайный, чудовищный; die Verantwortung – ответственность). Gab ich etwas zu, was ihnen nicht bekannt war, so lieferte ich vielleicht unnötig jemanden ans Messer (если я признаюсь в чем-нибудь, что им было еще неизвестно, то могу без нужды подвести кого-нибудь под удар; das Messer – нож, резец, режущий инструмент; j-n ans Messer liefern – /разг./ предать кого-л., подвести кого-л. под удар). Leugnete ich zu viel ab, so schädigte ich mich selbst (если буду слишком много отрицать, то могу навредить самому себе).

100.Wie ich Ihnen bereits sagte, hatte ich die eigentlich belastenden Papiere meinem Onkel in letzter Stunde durch die Haushälterin geschickt. Aber hatte er sie erhalten? Hatte er sie nicht erhalten? Und wie viel hatte jener Kanzlist verraten? Wie viel hatten sie an Briefen aufgefangen, wie viel inzwischen in den deutschen Klöstern, die wir vertraten, einem ungeschickten Geistlichen vielleicht schon abgepresst? Und sie fragten und fragten. Welche Papiere ich für jenes Kloster gekauft, mit welchen Banken ich korrespondiert, ob ich einen Herrn Soundso kenne oder nicht, ob ich Briefe aus der Schweiz erhalten und aus Steenookerzeel? Und da ich nie errechnen konnte, wie viel sie schon ausgekundschaftet hatten, wurde jede Antwort zur ungeheuersten Verantwortung. Gab ich etwas zu, was ihnen nicht bekannt war, so lieferte ich vielleicht unnötig jemanden ans Messer. Leugnete ich zu viel ab, so schädigte ich mich selbst.

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