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Otfried Preußler - Neues vom Räuber Hotzenplotz

Читать бесплатно Otfried Preußler - Neues vom Räuber Hotzenplotz. Жанр: Сказка издательство неизвестно, год 2004. Так же читаем полные версии (весь текст) онлайн без регистрации и SMS на сайте kniga-online.club или прочесть краткое содержание, предисловие (аннотацию), описание и ознакомиться с отзывами (комментариями) о произведении.
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Plötzlich war es im Spritzenhaus wieder still. Herr Dimpfelmoser hatte den Motor abgewürgt.

„Ei verflixt!", rief er ganz verdattert aus. „Ich bin, wie mir scheint, aus Versehen ein Stück zu weit gefahren – na, so was!"

Kasperl und Seppel erhoben sich.

Das Feuerwehrauto hatte die Rückwand des Spritzenhauses durchbrochen. Es stand mit den Hinterrädern im Freien, friedlich vom Mond beschienen.

Durch das Loch in der Mauer konnten sie ungehindert hinausspazieren.

„Toll!", sagte Kasperl und drückte Herrn Dimpfelmoser die Hand. „Das war Maßarbeit!"

Immerhin motorisiert

Herr Dimpfelmoser wollte vorausradeln und sich um Großmutter kümmern – doch leider musste er feststellen, dass sein Fahrrad verschwunden war.

„Unerhört!", rief er. „Dieser Bursche stiehlt nicht nur Uniformen, er klaut auch behördeneigene Fahrräder! Hat man so etwas schon gehört?"

„Kommen Sie!", drängte Kasperl. „Wir müssen nach Haus!"

„Und zwar schnell!", fügte Seppel hinzu.

„So schnell wie die Feuerwehr!", sagte Herr Dimpfelmoser; und wie sich zu Kasperls und Seppels freudiger Überraschung herausstellte, war das wörtlich gemeint. „Da nämlich erstens Eile geboten und zweitens mein Fahrrad verschwunden ist", fuhr er fort, „müssen wir auf das Feuerwehrauto zurückgreifen. Los, werft den Motor an!"

Herr Dimpfelmoser setzte den Wagen so weit zurück, dass er wenden konnte. Die Freunde kletterten auf den Mannschaftssitz und schon brausten sie los: Linkskurve, Rechtskurve, über den Marktplatz, am Rathaus vorbei und mit Vollgas die Bahnhofstraße hinunter.

Kasperl und Seppel kamen sich vor, als säßen sie in der Achterbahn. Alles, was sie am Achterbahnfahren besonders schätzten, wurde ihnen hier auch geboten: das Ohrensausen, das Kribbeln im Bauch – und das wunderbare Gefühl, in einer Sekunde um zwanzig Pfund leichter zu werden und in der nächsten um dreißig schwerer. Herr Dimpfelmoser machte das ganz hervorragend.

Leider dauerte das Vergnügen nur kurze Zeit, dann kreischten die Bremsen. Kasperl und Seppel rumpelten gegen die Rückwand des Fahrersitzes.

„Aussteigen, wir sind da!"

Aufatmend stellten sie fest, dass im Wohnzimmer Licht brannte. Umso größer der Schreck, als Großmutter nirgends im ganzen Häuschen zu finden war.

Herr Dimpfelmoser legte die Stirn in Falten.

„Weg ist sie", brummte er. „Weg wie das Fahrrad und meine Uniform."

Kasperl bekam einen Heidenschreck.

„Glauben Sie etwa, dass Hotzenplotz sie geraubt hat?"

„Geraubt?", meinte Oberwachtmeister Dimpfelmoser. „ Großmütter raubt man nicht, Großmütter werden entführt."

Er streckte das Kinn vor und rasselte mit dem Säbel.

„Wir müssen sofort mit der Fahndung beginnen!"

„Mit was?"

„Mit der Fahndung! Das heißt, dass wir alles tun müssen, um den Schurken zu fangen und Großmutter zu befreien. Immerhin sind wir ja motorisiert. Alles aufsitzen, es geht los!"

Mit dem Feuerwehrauto fuhren sie kreuz und quer durch den ganzen Landkreis. Sie fuhren nach Norden und Süden, nach Westen und Osten, auf Hauptstraßen, Nebenstraßen und Feldwegen. Aber vom Räuber Hotzenplotz und von Großmutter fehlte jede Spur.

Gegen halb zwei in der Nacht – sie befanden sich unglückseligerweise gerade mitten im Wald – war der Sprit zu Ende. Der Motor begann zu stottern, dann setzte er aus und der Wagen stand.

„Auch das noch!", schimpfte Herr Dimpfelmoser. „Heute bleibt uns auch wirklich nichts erspart!"

Sie mussten das Feuerwehrauto im Walde stehen lassen und kehrten zu Fuß in die Stadt zurück.

Kurz nach drei fielen Kasperl und Seppel erschöpft ins Bett. Sie waren so hundemüde, dass sie es nicht mehr fertig brachten, sich auszuziehen. Sie schliefen in allen Kleidern, in Jacke und Hose, in Strümpfen und Schuhen, mit Kasperlmütze und Seppelhut.

Fünfhundertfünfundfünfzig Mark fünfundfünfzig

Am anderen Morgen um elf, während Kasperl und Seppel noch wie erschlagen schliefen, suchte Herr Oberwachtmeister Dimpfelmoser Herrn Rübesamen in dessen Büro auf und berichtete ihm, was sich letzte Nacht mit dem Spritzenhaus und dem Feuerwehrauto ereignet hatte.

„Ich hoffe, Sie werden mir das nicht übel nehmen, mein Lieber – nach Lage der Dinge hatte ich keine andere Wahl. Für den bei der Fahndung verbrauchten Treibstoff kommt selbstverständlich die Polizei auf; und was die Rückwand des Spritzenhauses betrifft, so könnte man ja für ihren Wiederaufbau eine öffentliche Sammlung veranstalten: etwa beim nächsten Feuerwehrball."

Herr Rübesamen war mit allem einverstanden und versprach dafür zu sorgen, dass das Feuerwehrauto von einigen seiner Leute in die Stadt zurückgebracht wurde.

„Nur schade", sagte er, „dass Sie den Räuber Hotzenplotz nicht erwischt haben!"

„Tut nichts", meinte Herr Dimpfelmoser. „Der geht uns auf gar keinen Fall durch die Lappen, den kriegen wir schon. Die Fahndung muss nur erst richtig ins Rollen kommen, verstehen Sie ..."

Er verabschiedete sich von Herrn Rübesamen, machte anschließend einen kleinen Rundgang durchs Städtchen, um nachzusehen, ob überall Ruhe und Ordnung herrschte, und nachdem er sich davon überzeugt hatte, kehrte er gegen Mittag zu Kasperl und Seppel zurück. Die beiden hatten noch nicht gefrühstückt und waren in höchster Aufregung.

„Was ist los mit euch?", fragte er.

Kasperl und Seppel redeten beide gleichzeitig auf ihn ein, sehr schnell und sehr lautstark. Herr Dimpfelmoser wurde nicht schlau daraus. Wenn sie Chinesisch mit ihm geredet hätten, wäre es ungefähr auf dasselbe hinausgelaufen.

„Aufhören!", rief er. „Aufhören, man versteht ja kein Wort!"

Als alles Rufen nichts half, steckte er seine Polizeitrillerpfeife in den Mund und stieß einen gellenden Pfiff aus, der Kasperl und Seppel sofort verstummen ließ.

„Rrrruhe, zum Donnerwetter! Wenn ihr mir was zu berichten habt, dann tut es gefälligst einzeln und hübsch der Reihe nach! – Also bitte!"

Kasperl und Seppel hatten wahrhaftig alle Veranlassung aus dem Häuschen zu sein. Vor ungefähr einer Viertelstunde hatte sie ein Postbote aus dem Bett geklingelt und ihnen einen Eilbrief überbracht.

„Einen Eilbrief?", fragte Herr Dimpfelmoser. „Von wem?"

„Sie werden es nicht für möglich halten – von Hotzenplotz!"

Kasperl gab ihm den Brief zu lesen. Er war auf die Rückseite eines alten Kalenderblattes geschrieben, mit roter Tinte, in großen, klotzigen Buchstaben:

Herr Dimpfelmoser fand, dieser Brief sei die allerunverschämteste Unverschämtheit, die ihm in seiner langjährigen Dienstzeit untergekommen sei.

„Aber wir werden ihm einen Strich durch die Rechnung machen, diesem gemeinen Erpresser, der nicht einmal seinen eigenen Namen richtig schreiben kann!", rief er zornentbrannt. „Wir verhaften ihn, wenn er morgen zum alten Steinkreuz kommt! Ich telefoniere sofort mit der Kreisstadt und sorge dafür, dass mindestens zwölf Polizeibeamte zu seinem Empfang bereitstehen und ihn hopsnehmen – das verspreche ich euch!"

Kasperl war nicht sehr begeistert von seinem Vorschlag.

„Bloß nicht, Herr Oberwachtmeister!"

„Nein?", fragte Dimpfelmoser. „Wieso denn nicht?"

„Wegen Großmutter", sagte Kasperl. „Wenn Hotzenplotz Lunte riecht, wird es schlimm für sie."

„Hm", brummte Oberwachtmeister Dimpfelmoser. „Dann werdet ihr also zahlen?"

„Was sonst?", meinte Kasperl mit einem Achselzucken. „Großmutter sollte uns fünfhundertfünfundfünfzig Mark wert sein – oder?"

„Fünfhundertfünfundfünfzig Mark fünfundfünfzig!", verbesserte ihn Seppel. „Genau so viel, wie wir vor vierzehn Tagen vom Herrn Bürgermeister als Belohnung bekommen haben – ist das nicht ulkig?"

Herr Dimpfelmoser ließ sich aufs Sofa plumpsen. Dann nahm er den Helm ab und wischte ihn mit dem Taschentuch innen trocken.

„Die Sache gefällt mir nicht", brummte er. „Seid ihr wenigstens damit einverstanden, dass ich euch morgen vorsichtig nachschleiche? So könnte ich aus der Ferne beobachten, was geschieht und im Notfall einschreiten ..."

„Bitte nein!", sagte Kasperl. „Wir wissen doch alle drei, dass mit Hotzenplotz nicht zu spaßen ist. Wenn er verlangt, dass Seppel und ich allein kommen, müssen wir uns dran halten. Er hat uns nun mal in der Hand, da hilft alles nichts."

„Und wenn euch dabei was zustößt?", knurrte Herr Dimpfelmoser. „Wer garantiert mir dafür, dass ihr wohlbehalten zurückkommt?"

Kasperl zögerte einen Augenblick mit der Antwort.

„Wir müssen es abwarten", meinte er dann. „Wir sind keine Hellseher ..."

„Keine – Hellseher?"

Oberwachtmeister Dimpfelmoser sprang auf und packte ihn an der Schulter. „Kasperl", rief er, „ich glaube, du hast mich auf einen Gedanken gebracht! In ungewöhnlicher Lage muss man zu ungewöhnlichen Mitteln greifen – ich wende mich an Frau Schlotterbeck!"

Frau Schlotterbeck

Frau Schlotterbeck wohnte in einem alten, ziemlich heruntergekommenen Häuschen am Waldrand, das ringsum von einer hohen Dornenhecke umgeben war. Am Gartentor hing ein Schild mit der Aufschrift:

Witwe Portiunkula Schlotterbeck

Staatl. geprüfte Hellseherin

Kartenlegen, Traum- und Handliniendeutung

Vorhersagen aus Kaffeesatz

Geisterbeschwörung jeglicher Art u.a.m.

Sprechstunde täglich

sowie nach Vereinbarung

Eine Handbreit darunter war eine rot umrandete Warnungstafel angebracht:

Herr Dimpfelmoser zog an der Glocke neben dem Gartentor. Im nächsten Augenblick kläffte drinnen ein Hund los – so wütend, dass der Herr Oberwachtmeister unwillkürlich zurückzuckte und die Hand an den Säbel nahm.

Während er auf die Witwe Schlotterbeck wartete, musste er daran denken, dass es im ganzen Städtchen keinen Menschen gab, der ihren Hund je zu Gesicht bekommen hatte. Sie pflegte ihn tagsüber nämlich in einer Art Ziegenstall einzusperren und ließ ihn nur nachts im Garten umherlaufen. Aber das konnte sie schließlich halten, wie es ihr passte: Hauptsache, sie bezahlte die Hundesteuer für ihn – und das tat sie gewissenhaft.

Herr Dimpfelmoser ließ eine Weile verstreichen, dann läutete er zum zweiten und später zum dritten Mal. War Frau Schlotterbeck nicht zu Hause?

„Ich werde es gegen Abend noch einmal versuchen ..."

Er wollte gerade gehen, da hörte er eine Tür kreischen und Frau Schlotterbeck kam durch den Garten geschlurft.

Eigentlich hätte sie Wabbelbeck heißen müssen, denn alles an ihr war rund und wabbelig, auch das Gesicht mit dem sechsfachen Doppelkinn und den mächtigen Hängebacken. Obwohl es bereits auf vier Uhr nachmittags ging, trug Frau Schlotterbeck einen geblümten Morgenrock, dazu Lockenwickel im Haar und ausgetretene Filzpantoffeln. Sie schnaufte und keuchte bei jedem Schritt wie eine überanstrengte Dampfmaschine.

„Ach, Sie sind's, Herr Oberwachtmeister!" Ihre Stimme klang tief und hohl, als spräche sie durch ein Ofenrohr. „Was verschafft mir die Ehre?"

„Ich hätte mit Ihnen zu reden, Frau Schlotterbeck. Darf ich eintreten?"

„Bitte sehr, kommen Sie nur herein!"

Während sie durch den verwilderten Garten gingen, bellte der Hund von neuem los wie nicht recht gescheit.

„Willst du wohl still sein, Wasti!" Frau Schlotterbeck blickte Herrn Dimpfelmoser verlegen an. „Sie müssen entschuldigen. Wasti regt sich bei jeder Kleinigkeit schrecklich auf."

In Frau Schlotterbecks Wohnstube herrschte geheimnisvolles Halbdunkel, da sie die Vorhänge tagsüber stets geschlossen hielt – nach dem Grundsatz: Zum Hellsehen muss es dunkel sein.

„Bitte, nehmen Sie Platz!"

Frau Schlotterbeck zündete eine Kerze an, die genau in der Mitte des Tisches stand, dessen Platte mit allerlei seltsamen Zeichen bedeckt war: mit Sternen von unterschiedlicher Größe und Form, mit Quadraten und Kreuzen, mit Ziffern und Kreisen und Buchstaben einer fremden Schrift, die Herr Dimpfelmoser nicht lesen konnte.

„Zigarre?"

Sie schob ihm ein flaches Kästchen hin.

„Danke – im Dienst bin ich Nichtraucher."

„Aber Sie haben doch hoffentlich nichts dagegen, wenn ich ..."

Damit entnahm sie dem Kästchen eine dicke schwarze Zigarre, schnupperte daran, biss ihr die Spitze ab, rauchte sie an und begann zu paffen.

„Sie hätten also mit mir zu reden?"

„So ist es."

Herr Dimpfelmoser wollte beginnen ihr auseinander zu setzen, worum es sich handelte, doch Frau Schlotterbeck schnitt ihm das Wort ab.

„Nicht nötig, mein Bester – schauen Sie mal hierher!"

Sie klemmte sich ein Monokel ins rechte Auge und deutete mit dem Finger auf dessen unteren Rand.

„Wozu kann ich schließlich Gedanken lesen? Aber nicht zwinkern, bitte!"

Herr Dimpfelmoser gehorchte, obgleich es ihm Unbehagen bereitete, dass ihm Frau Schlotterbeck sozusagen ins Hirn schaute. Zum Glück war die Sache bald ausgestanden.

„Ich weiß nun, wo Sie der Schuh drückt", sagte Frau Schlotterbeck. „Aber ich kann Sie beruhigen. Kommen Sie morgen früh um halb neun zu mir! Ihnen zuliebe werde ich ausnahmsweise den Wecker auf Viertel nach acht stellen."

„Und Sie meinen ..."

Frau Schlotterbeck stieß eine dicke Rauchwolke aus und nickte.

„Wir machen es mit der Kristallkugel", sagte sie. „Damit können wir jeden einzelnen Schritt Ihrer Freunde von hier aus beobachten, ohne dass Hotzenplotz das Geringste merkt. – Doch nun darf ich Sie bitten mich zu entschuldigen: Ich muss Wasti das Frühstück bringen. Hören Sie nur, wie er jault und winselt, der arme Hund!"

Die Kristallkugel

Am anderen Morgen um acht brachen Kasperl und Seppel auf. Wer sie mit ihrer Blechkanne losziehen sah, musste meinen, sie gingen zum Brombeerpflücken. Doch in der Kanne befand sich das Lösegeld. Es stimmte auf Heller und Pfennig, sie hatten es fünfmal nachgezählt. Herr Dimpfelmoser begleitete sie bis zur nächsten Straßenecke.

„Also macht's gut – und verlasst euch drauf, dass ich euch raushole, wenn was schief geht!"

„Wird schon nicht!", meinte Kasperl.

Nun trennten sich ihre Wege. Die beiden Freunde mussten zum alten Steinkreuz im Wald, Herr Dimpfelmoser begab sich zur Witwe Schlotterbeck. Wieder musste er einige Male klingeln und wieder brach Wasti in wildes Gekläff aus. Hatte Frau Schlotterbeck etwa verschlafen?

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